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Benzodiazepine: große therapeutische Breite

Vor bald 60 Jahren gelang es dem Chemiker Leo Sternbach erstmals, Diazepam zu synthetisieren. Unter dem Namen „Valium“ wurde es von Roche auf den Markt gebracht und trat einen weltweiten Siegeszug an. Bis heute gelten Substanzen aus der Gruppe der Benzodiazepine als unverzichtbare Arzneimittel, zu denen es in vielen Bereichen noch keine Alternativen gibt. Dies liegt vor allem an ihrer großen therapeutischen Breite.

Anwendungsgebiete

Benzodiazepine werden bei Schlafstörungen mit klinisch relevantem Schweregrad, bei psychotischer Erregung, Krampfanfällen und Muskelverspannungen sowie bei akuten epileptischen Anfällen, Fieberkrämpfen und in der Anästhesie eingesetzt. Nicht zuletzt werden sie auch erfolgreich beim Alkoholentzug eingesetzt. Als kurzfristige Option sind sie in diesen Bereichen oft alternativlos. Eine Anwendung über einige Wochen hinaus ist jedoch problematisch und führt zur Abhängigkeit. Lange Zeit wurden sie eher leichtfertig verschrieben. Heute setzen Ärzte die Wirkstoffe nur noch gezielt und für kurze Zeit ein.

So spielen Benzodiazepine eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Depressionen und Phobien. Antidepressiva brauchen etwa zwei Wochen, bis sie ihre Wirkung entfalten. In dieser Phase sind Medikamente wie Valium für die Patienten eine willkommene Erleichterung. Sie beruhigen, nehmen die Angst und entspannen die Muskeln. Ihre Wirkung entfalten sie, indem sie bestimmte Rezeptoren im Gehirn beeinflussen. Dort wird die Aktivität des Botenstoffs GABA verändert, was indirekt zu einer Hemmung erregender Nervenreize führt.

Große therapeutische Breite

Die therapeutische Breite ist enorm. Vergiftungen kommen so gut wie nie vor. Dies ermöglicht eine risikofreie Anwendung. Im Gegensatz zu Barbituraten ist ein Suizid mit Benzodiazepinen als alleinigem Wirkstoff praktisch unmöglich. Zudem sind die Nebenwirkungen bei korrekter Anwendung moderat.

Risiken birgt allerdings die Langzeiteinnahme. Nach Angaben des Hamburger Instituts für Sucht- und Drogenforschung nehmen in Deutschland 800.000 Menschen solche Wirkstoffe täglich und über Jahre hinweg ein, etwa 130.000 gelten als abhängig. Hinzu kommt eine unbekannte Dunkelziffer von Menschen, die ihre Pillen auf dem Schwarzmarkt kaufen. Die meisten von ihnen sind niedrig dosiert. Sie nehmen die Medikamente ein, erhöhen die Dosis aber nicht und führen ein normales Alltagsleben. Einige chronische Angstpatienten können ihre Störung langfristig nur mit einem Benzodiazepin kontrollieren. Ob bei einem älteren Patienten, der seit Jahren jeden Abend eine Valium einnimmt, ein Entzug noch sinnvoll ist, ist zweifelhaft.

Bald neue Wirkstoffe?

Forscher arbeiten an neuen Wirkstoffen, die eine ähnliche Wirkung haben, aber nicht so leicht abhängig machen. Viele Projekte beschäftigen sich mit dem Nervensystem von Mäusen. Diese Tiere sind dem Menschen hinsichtlich ihrer Rezeptoren im Gehirn in mancher Hinsicht sehr ähnlich, so dass die Ergebnisse aus Tierversuchen teilweise übertragbar sind. Die Forscher sind optimistisch. Bislang gibt es aber noch keine Substanz, von der man sagen kann, dass sie die gleiche Wirkung hat wie ein Benzodiazepin, ohne abhängig zu machen. Bis es soweit ist, ist noch viel Arbeit nötig.


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