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Benzodiazepine und AIDS-Medikamente

Die Diagnose AIDS löst häufig Angst, Panik und Schlafstörungen aus. Diese Reaktionen können kurzfristig mit Benzodiazepinen behandelt werden. Inzwischen gibt es auch antivirale Medikamente, die ein weitgehend normales (Über-)Leben mit HIV ermöglichen. Über ihre Wechselwirkungen mit Benzodiazepinen war bisher wenig bekannt. Forschungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie bringen nun etwas Licht ins Dunkel.

Mittel gegen AIDS und COVID-19

Antivirale HIV-Medikamente, die auch für COVID-19 nützlich sein könnten, sind unter anderem Ritonavir, Lopinavir und Ataznavir. Beim Abbau dieser Medikamente spielen häufig die gleichen körpereigenen Substanzen eine Rolle, die auch am Abbau von Benzodiazepinen beteiligt sind, insbesondere die Proteine CYP2B6, CYP2C19 und CYP3A4. Es ist daher naheliegend, dass es zu Wechselwirkungen kommen kann. Dr. Kaushal Shah und Dr. Dhwani Kamrai vom Oklahoma State Department of Mental Health and Substance Abuse haben nun einige der gebräuchlichsten Substanzen genauer unter die Lupe genommen.

Midazolam

Midazolam wird durch CYP3A4 verstoffwechselt. Die gleichzeitige Verabreichung von Midazolam mit einem CYP3A4-Inhibitor wie Ritonavir kann zu einem Anstieg der Midazolam-Konzentration führen. Die Folgen sind Störungen wie zunehmende Verwirrtheit, Atemdepression und Sedierung. Daher ist die gleichzeitige Gabe dieser Kombination stark kontraindiziert.

Triazolam

Triazolam wird häufig zur Behandlung von Schlaflosigkeit eingesetzt. Seine Nebenwirkungen wie Sedierung, Verwirrtheit und Atemdepression werden in Kombination mit Atazanavir und dem CYP3A4-Inhibitor Ritonavir verstärkt. Diese Kombinationen werden daher nicht empfohlen.

Alprazolam

Alprazolam wird über CYP3A4 metabolisiert. Die gleichzeitige Verabreichung mit Atazanavir kann zu einer verstärkten Sedierung führen. Es ist empfehlenswert, die Dosis von Alprazolam zu reduzieren, um unerwünschte Wirkungen der Kombination zu vermeiden. Außerdem kann Alprazolam in Kombination mit Ritonavir zu einer Hemmung der Metabolisierung von Alprazolam führen. Obwohl es widersprüchliche Ergebnisse gibt, wurde in übereinstimmenden Studien eine psychomotorische Retardierung als Effekt der Kombination beobachtet.

Chlordiazepoxid

Chlordiazepoxid (Librium) wird hauptsächlich durch mikrosomale Enzyme in der Leber metabolisiert. Die kombinierte Anwendung von Chlordiazepoxid mit Atazanavir oder Ritonavir kann seine Wirkung verstärken und birgt ein erhöhtes Risiko für unerwünschte Wirkungen wie Sedierung, Gedächtnisstörungen, Muskelschwäche und Atemdepression.

Clobazam

Clobazam wird zur Behandlung von Spannungs-, Erregungs- und Angstzuständen sowie zur Behandlung von Anfallsleiden wie Epilepsie eingesetzt. Es wird durch CYP3A4, CYP2B6 und CYP2C19 metabolisiert. Die Anwendung von Clobazam zusammen mit Ritonavir verlängert die Wirkungsdauer und erfordert daher eine ständige ärztliche Überwachung.

Clorazepat

Clorazepat wird als Antikonvulsivum und Anxiolytikum bei der Behandlung von Epilepsie und Angstzuständen sowie beim Alkoholentzug eingesetzt. Es wird schnell in Nordiazepam umgewandelt, das wiederum durch CYP3A4 zu Oxazepam metabolisiert wird. Die Wechselwirkung mit einem CYP3A4-Inhibitor wie Atazanavir oder Ritonavir kann zu einer verlängerten Sedierung führen. Daher kann eine Dosisreduktion erforderlich sein.

Diazepam

Diazepam (Valium) ist eines der am weitesten verbreiteten Medikamente seiner Art. Es wird durch CYP3A4 und CYP2C19 zu Nordiazepam und Tamazepam metabolisiert. Ritonavir und Atazanavir können die Wirkung verlängern, was eine Dosisreduktion erforderlich machen kann.

Estazolam

Estazolam wird unter anderem zur Kurzzeitbehandlung von Schlaflosigkeit eingesetzt. Es wird über CYP3A4 metabolisiert. Die gleichzeitige Verabreichung mit Atazanavir oder Ritonavir kann daher zu einer verlängerten Sedierung führen. Es wird empfohlen, die Dosis zu reduzieren, um diese Effekte abzuschwächen.

Flunitrazepam

Flunitrazepam (Rohypnol) wird als Prämedikation vor medizinischen Eingriffen und gelegentlich als Schlafmittel verwendet. Es wird hauptsächlich durch CYP3A4 und CYP2C19 metabolisiert. Die Kombination mit AIDS-Medikamenten wie Atazanavir oder Ritonavir kann die Exposition erhöhen und zu einer Sedierung der Atemwege führen. Daher wird eine Dosisreduktion empfohlen.

Flurazepam

Flurazepam wird als Prämedikation vor medizinischen Eingriffen und gelegentlich als Schlafmittel verwendet. Sein Metabolismus ist CYP-vermittelt. Obwohl nicht untersucht, könnte die Kombination mit CYP3A4-Hemmern die respiratorische Sedierung verstärken, weshalb eine Dosisreduktion empfohlen wird.

Bromazepam

Bromazepam besitzt anxiolytische Eigenschaften und wird daher vor allem bei Angststörungen eingesetzt. Es wird durch CYP3A4 (geringfügig) und CYP2D6 oder CYP1A2 metabolisiert. Bei gleichzeitiger Anwendung von CYP3A4-Inhibitoren wie Atazanavir oder Ritonavir kann die Konzentration von Bromazepam leicht ansteigen. Da die potentiellen Wechselwirkungen zwischen den Arzneimitteln gering sind, werden zusätzliche Maßnahmen und eine engmaschige Überwachung nicht für erforderlich gehalten.

Benzodiazepine und AIDS-Medikamente: ein Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Benzodiazepine signifikante Wechselwirkungen mit HIV-Medikamenten gezeigt haben. Wenn Benzodiazepine indiziert sind, ist es oft notwendig, die Dosis zu reduzieren oder Alternativen in Betracht zu ziehen. Außerdem sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die Sicherheit der Begleittherapie zu beurteilen. Da Benzodiazepine so häufig verschrieben werden, müssen Ärzte diese Wechselwirkungen im Auge behalten und Vorsicht walten lassen, um schwere oder tödliche Reaktionen zu vermeiden.

Ein hohes Risiko besteht auch für AIDS-Patienten, die Benzodiazepine als Party- oder Freizeitdroge konsumieren und sich der Risiken nicht bewusst sind. Wer z.B. ein Medikament wie Valium ohne Rezept kaufen möchte, hat über das Internet oder über private Kontakte viele Möglichkeiten. Hat der Arzt Grund zur Annahme, dass ein Missbrauch vorliegt, ist eine gründliche Aufklärung und Beratung Pflicht.

Quelle und weitere Informationen

Dr. Kaushal Shah, Dr. Dhwani Kamrai et al.: Benzodiazepine Interaction With COVID-19 Drugs. (psychiatrist.com; online veröffentlicht am 28. Oktober 2021)

HIV rote Schleife

 

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