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Benzodiazepine im Abwasser

Pharmazeutische Wirkstoffe greifen gezielt in die Körperfunktionen von Lebewesen ein. Einige wirken auf den Stoffwechsel oder die Hormone, andere verändern die Signalübertragung zwischen den Zellen. Es ist daher kaum zu vermeiden, dass sie auch Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen haben, wenn sie in die Umwelt gelangen. Oft lassen sich die Risiken nur vage abschätzen. Das ist beunruhigend, denn für einige Wirkstoffe sind negative Auswirkungen auf Ökosysteme bereits nachgewiesen. Forscher haben nun untersucht, was insbesondere Benzodiazepine im Abwasser anrichten.

Benzodiazepine im Abwasser machen Barsche mutig

Bei Medikamenten, die über das Abwasser in Flüsse, Seen und Meere gelangen, ist der Schaden meist größer als der Nutzen. Einige Arten scheinen jedoch auch davon zu profitieren. Eine dieser seltenen Ausnahmen ist der Flussbarsch (Perca fluviatilis). Laut einer Studie werden sie durch Oxazepam (Adumbran) mutiger und leben länger. Forscher der Universität Umeå (Schweden) empfehlen daher, neben den negativen Folgen von Medikamenten in der Natur auch die positiven Effekte zu berücksichtigen.

Jonathan Klaminder und seine Kollegen bemängeln, dass die gängigen Tests die komplexen Zusammenhänge in Ökosystemen nicht ausreichend berücksichtigen. Sie schreiben in der Fachzeitschrift «Environmental Research Letters», dass verschiedene Wirkstoffe die Überlebensrate bestimmter Lebewesen sogar erhöhen können. Als Beispiel nennen sie die von ihnen untersuchten Flussbarsche. Eine geringe Dosis Oxazepam macht die Barsche mutiger und erhöht ihre Überlebenschancen gegenüber Artgenossen, die dem Mittel nicht ausgesetzt waren. Warum das Beruhigungsmittel die Fische aufmuntert, ist ein Rätsel. Möglicherweise senkt es den Stresspegel und macht die Tiere dadurch erfolgreicher bei der Nahrungssuche. Auch eine konzentrationsfördernde Wirkung wird vermutet.

Bei herkömmlichen Versuchen werden Fische verwendet, die im Labor stressfrei, gut ernährt und in guter Kondition aufgezogen werden. Wird an ihnen die Wirkung eines Stoffes getestet, wird für die Kontrollgruppe immer eine Überlebensrate von 100 % angenommen. Das wird den Verhältnissen in der Natur nicht gerecht. Die Entdeckung vorteilhafter Effekte auf die Sterblichkeit wird dadurch erschwert. J. Klaminder und sein Team untersuchten dagegen zweijährige Barsche und deren Rogen, die sie aus skandinavischen Flüssen gefischt hatten. Allerdings wurden auch sie im Labor und nicht im Freiland untersucht.

Nachteile für andere Arten

Was für den einzelnen Fisch vorteilhaft ist, muss für das gesamte Ökosystem nicht unbedingt von Nutzen sein. Was für eine Art gut ist, ist für ihre Beute oder eine andere Art oft nachteilig. In deutschen Gewässern lassen sich mehr als 150 verschiedene Arzneimittel nachweisen, viele davon sind Benzodiazepine. Immer mehr davon landen im Abwasser und später in Flüssen und Seen. Experten schlagen vor, diesen Stoffen mit einer vierten Reinigungsstufe in den Kläranlagen zu Leibe zu rücken.

Quelle: Psychopharmaka im Wasser machen Fische leichtsinnig. In: scinexx.de


Flussbarsch für Benzodiazepine im Abwasser
Zwei Barsche

 

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